Synagoge

Die Aufteilung der jüdischen Dreigemeinde in Hamburg 1812

von Simon Hollendung

4.4 Frankreichs Niederlage, der Rückzug in die Stadt und die sich anschließende Belagerung sorgen für Elend bei der Bevölkerung

Der Waffenstillstand zwischen Frankreich und den Alliierten, diese waren England, Preußen, Österreich und Schweden, lief am 16. August 1813 aus und nur ein kleines Kontingent französischer Truppen blieb in Hamburg. Nachrichten von der verheerenden und entscheidenden Niederlage in der so genannten Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober wurden in Hamburg bewusst unterdrückt. Doch der Rückzug großer Truppenteile, von denen viele Soldaten verwundet oder krank waren, sorgte für entsprechende Gerüchte. Für die Unterbringung der jetzt 42.000 Soldaten wurden Gebäude beschlagnahmt, Privatpersonen enteignet und auch Kirchen als Pferdeställe benutzt. Die Lage der Bevölkerung verschlechterte sich, vor allem, weil sie die Einrichtung komplette Not-Lazarette selber tragen musste.
Da eine Belagerung Hamburgs abzusehen war, wurde der Bevölkerung befohlen, sich für mindestens sechs Monate zu verproviantieren. Unter den beschriebenen Umständen war dies für Viele unmöglich.
Wer nicht ausreichend gelagert hatte, wurde der Stadt verwiesen. Am 20. und 21. Dezember 1813 wurden die Tore geöffnet und 4.000 Hamburger verließen ihre Stadt. Der Großteil der Nicht-Verproviantierten blieb allerdings in der Stadt, auch weil es Gerüchte über ein schnelles Ende der Belagerung gab.[115] Durch diese Fehleinschätzung wurden nochmals viele Hamburger zu Vertriebenen, weil in der Nacht des Heiligabends 1813 Hausdurchsuchungen – vor allem bei ärmeren Familien – zu Vertreibungen nach Altona, Bremen und Lübeck führten.
Die am 26. April 1812 gegründete Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg förderte eine eigene Armenanstalt aus der Gemeindekasse. Doch auch damit konnte den vielen Armen, die die Stadt verlassen mussten, nicht ausreichend geholfen werden. Nach Herzig ist die Zahl der 3.000 jüdischen Flüchtlinge unter den 20.000 Hamburgern, die die Stadt verlassen mussten, wie sie oft in der Literatur angegeben wird, aber zu hoch gegriffen. [116]
Nachdem sich napoleonische Truppen unter Marschall Davouts in der Stadt verschanzt und Lebensmittel-Konfiszierungen im Umland vorgenommen hatten, folgte die systematische Zerstörung weiter Stadtteile, um ein freies Schussfeld zu bekommen. Vor allem Hamm, Billwerder und St. Pauli waren davon betroffen.
Hamburg war nun eingeschlossen, es kam auch zu Feuergefechten auf der Wilhelmsburg, aber General Bennigsen konnte mit seinen 20.000 Soldaten das Verteidigungswerk nicht einnehmen.
In der Stadt verschlechterte sich die Lage, viele Berichte sprechen vom Ausbruch des Lazarett- oder Hospitalfiebers, womit gemäß Hauschild-Thiessen vermutlich Typhus gemeint war[117].
Zusammen mit mangelnder Hygiene und schlechter Ernährung führte der Typhus dazu, dass in St. Georg Massengräber für die täglich zwischen 60 und 100 gestorbenen Soldaten ausgehoben werden mussten. Die Juden Hamburgs legten von Januar bis März 1814 einen provisorischen Friedhof „Am Neuen Steinweg“ an. Nach der Besetzung Hamburgs durch die Franzosen waren die Juden also gezwungen, ihre Toten direkt in der Innenstadt zu beerdigen.[118] 57 Beerdigungen fanden auf diese Art und Weise gegen den jüdischen Totenkult statt. Bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erinnerten 17 Grabsteine an das Provisorium.[119]

[115] Vgl. Prell, Marianne: Erinnerungen an die Franzosenzeit in Hamburg 1806-1814, Hamburg 1863: „Da aber jedermann glaubte, dass die Verbündeten wohl bald die Franzosen aus Hamburg vertreiben würden, so achtete man nicht besonders auf diesen Befehl.“

[116] Vgl. Herzig (1991), S. 65.

[117] Vgl. Hauschild-Thiessen (1989), S. 23.

[118] Vgl. Studemund-Halévy, Michael und Zürn, Gabriele: Zerstört die Erinnerung nicht. Der jüdische Friedhof Königsstrasse in Hamburg, München 2002, S. 173.

[119] Vgl. Freimark (1981), S. 122.
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